Wir sind die Schweizer Literatur-Nati. Hier haben alle SPielenden etwas mit der Literatur zu tun: Sie schreiben, dichten, Rappen, Singen, Verlegen, tragen vor. Doch nicht nur das: Sie spielen auch alle ganz hervorragend fussball. Oder glauben das zumindest.
Gegründet 2005 als FADS (Fussballspielende Autor*innen der Schweiz) hat die Schweizer Literatur-Nati viele Aufstellungen, Taktiken und dramatische Nachspielzeiten erlebt. Besonders hat sie sich über die Jahre auf die sogenannte Doppelbelastung spezialisiert: Zuerst wird gespielt – dann riecht es in der Garderobe streng nach Fussnoten, auf dem Feld wird die Grammatik durchgerüttelt, Mitspielende werden mit lyrischen Pässen auf die Reise geschickt, bevor nach dem Schlusspfiff: vorgelesen wird. Und falls die Kreuzbänder nach erschöpfenden 90 (oder meist eher 70) Minuten noch ordentlich gekreuzt sind, liest, kabarettiert, singt und slammt der Kader der Nati, diesmal ganz nach den Wünschen des Gegners.
Regelmässig ist die Schweizer Literatur-Nati an den Solothurner Literaturtagen zu Gast. Länderspiele trug sie jüngst unter anderem gegen das österreichische und das schottische Literaturnationalteam aus.Weitere beliebte Kontrahenten sind der Grossrat Basel-Stadt, der FC Landrat Basel-Landschaft, der FC Nationalrat, der FC Weltreligionen, die NZZ, der WWF und viele andere mehr.
INterview mit Ehrenpräsident Patrick Tschan
Herr Tschan, nehmen Sie uns mit zu den Anfängen, bitte.
Die Schweizer Schriftsteller-Nati gibt es seit knapp 20 Jahren. Angefangen hatte alles mit einem Anruf von Michael Stiller, Leiter des unabhängigen Literaturhauses Niederösterreich an Richard Reich: „Hallo Richi, hier ist der Michael. Die Schweizer Schriftsteller spielen am 3. September 2006 ein Länderspiel gegen Österreich. In Wien, Stadion Wiener Sport-Club, Anstoss, 19:00 Uhr, bitte, seid pünktlich.» Seither haben wir über 100 Spiele ausgetragen, davon mindestens 99 gewonnen, 8-mal unentschieden gespielt und über die restlichen Matches weiss man nichts mehr, da sie keinen Eingang in die Sekundärliteratur gefunden haben.
Was macht so eine Literatur-Nationalmannschaft aus, Ehrenpräsident?
Es ist ein wild zusammengewürfelter Haufen eigenwilliger Persönlichkeiten, die drei Dinge gemeinsam haben: jeder schreibt, jeder hat wenig Zeit und jeder spielt gerne Fussball. Und: körperlich wie fussballerisch bringen nicht alle die gleichen Voraussetzungen mit. Da nicht drei Mal täglich trainiert wird – geschweige denn dreimal im Jahr – gilt es die bescheidenen Ressourcen gescheit einzusetzen.
Worin ist die Schweizerischen Literatur-Nati richtig gut?
Lassen Sie mich das in Form einer Liste beantworten.
einen geraden Pass über zehn Meter schlagen (der ankommt und vom Empfänger auch gestoppt werden kann)
zweimal dreissig Minuten in normalem Tempo laufen, sprinten, grätschen
taktische Disziplin bewahren
dadurch die fussballerischen Ressourcen clever einsetzen
nicht ständig lauthals andere kritisieren, das Maul halten und somit Luft sparen
den Stiefel herunter spielen
Sie ahnen wohl die letzte Frage.
Worin wir schlecht sind? Nun, auch hier, die Liste:
einen geraden oder ungeraden Pass über fünfzig Meter schlagen (der ankommt und vom Empfänger auch gestoppt werden kann)
zweimal dreissig Minuten in hohem Tempo laufen, sprinten, grätschen
taktische Disziplinlosigkeiten mal um mal mit viel Aufwand ausbügeln (geht auch bei den „Grossen“ nie gut)
mit unseren Ressourcen verschwenderisch umgehen
ständig lauthals andere kritisieren, fortwährend das Maul offen halten und somit Luft vergeuden
den Stiefel hinauf spielen